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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 14.05.2007
Aktenzeichen: 12 U 194/06
Rechtsgebiete: ZPO, StVO
Vorschriften:
ZPO § 513 Abs. 1 | |
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 | |
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 529 | |
StVO § 7 Abs. 5 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 12 U 194/06
In dem Rechtsstreit
hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, den Richter am Kammergericht Dr. Wimmer und die Richterin am Kammergericht Zillmann am 14. Mai 2007 beschlossen:
Tenor:
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Berufungskläger erhalten gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe:
Die Berufungen haben keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
1. Die Berufung der Widerklägerin und Berufungsklägerin zu 3. ist bereits unzulässig, weshalb angeraten wird, diese zurückzunehmen.
Die Widerklägerin ist durch das angegriffene Urteil nur insoweit beschwert, als ihre Widerklage abgewiesen worden ist. Hiergegen richtet sich die Berufung ausweislich des Schriftsatzes vom 6. November 2006 und der Berufungsbegründung vom 18. Dezember 2006 jedoch nicht, da die Berufungskläger nur die Aufhebung des Urteils insoweit begehren, als sie zur Zahlung verurteilt worden sind. Die ist jedoch nur für die Beklagten zu 1) und 2) der Fall; eine Verurteilung der Widerklägerin erfolgte in dem angegriffenen Urteil nicht.
Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt jedoch eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraus, sowie das Bestreben, diese Beschwer mit dem Rechtsmittel zu beseitigen (vgl. Gummer/Heßler in Zöller, 26. Aufl., Vor § 511 ZPO, Rn 10). Dies ist bei der Widerklägerin nicht der Fall, so dass ihre Berufung bereits mangels Beschwer unzulässig und deshalb gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verwerfen ist.
2. Die Berufung kann jedoch auch im Übrigen keinen Erfolg haben.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
Das Landgericht hat in dem angegriffenen Urteil zu Recht darauf erkannt, dass die Beklagten zu 1) und 2) dem Kläger dem Grunde nach in vollem Umfang Schadenersatz schulden.
Es ist nämlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1) den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis, sie habe die ihr gemäß § 7 Abs. 5 StVO obliegende Sorgfaltspflicht bei einem Fahrstreifenwechsel nicht in ausreichendem Maße beachtet, nicht zu entkräften vermochte.
Der Fahrstreifenwechsel der Beklagten zu 1) vor dem von ihr geplanten Linksabbiegen ist zwischen den Parteien unstreitig.
Das Landgericht hat die erforderlichen Sorgfaltspflichten für einen Fahrstreifenwechsel in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt, weshalb hierauf verwiesen werden kann.
Soweit die Berufungsführer ihre Angriffe gegen das erstinstanzliche Urteil darauf stützen, dass die Beklagte zu 1) nach ihrer Behauptung den Fahrstreifen bereits vollständig gewechselt und einige Sekunden gestanden habe, als es zu dem streitgegenständlichen Unfall kam, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg.
Bei einer Kollision mit dem nachfolgenden Verkehr unmittelbar nach einem Fahrstreifenwechsel spricht der Anschein für eine Missachtung der Sorgfaltspflicht des Fahrstreifenwechslers.
Dieser Anscheinsbeweis ist durch die Beklagten nicht entkräftet worden. Selbst wenn die Angaben der Beklagten unterstellt würden, die Beklagte zu 1) habe zum Zeitpunkt des Unfalls bereits 5 bis 10 Sekunden gestanden, so wäre damit ein unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Zusammenhang des von ihr unstreitig vorgenommenen Fahrstreifenwechsels nicht beseitigt worden.
Insbesondere oblag dem Kläger auch entgegen der Auffassung der Berufung nicht der Beweis dafür, dass er den Unfall nicht durch Unachtsamkeit, zu geringen Abstand oder überhöhte Geschwindigkeit verursacht hatte.
Ein Anscheinsbeweis für das Verschulden des Auffahrenden im Straßenverkehr kann nämlich dann nicht angenommen werden, wenn der Vorausfahrende unmittelbar zuvor den Fahrstreifen gewechselt hat (OLG Frankfurt, Urteil vom 2. März 2006 - 3 U 220/05 - zfs 2006, 259). Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden versagt schon bei regelmäßigem Verkehrsfluss dann, wenn der Vorausfahrende erst einige Augenblicke vor dem Auffahrunfall in den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt hat (KG, Urteil vom 22. Januar 2001 - 22 U 1044/00 - , KGR 2001, 93).
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden voraussetzt, dass beide Fahrzeuge unstreitig oder erwiesenermaßen so lange in einer Spur hintereinander gefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangen Fahrbewegungen hätten einstellen können (Senat, Urteile vom 22. Juni 1992 - 12 U 7008/91 -, vom 7. Juni 1999 - 12 U 4408/97 -, vom 11. September 2000 - 12 U 1361/99 -, vom 25. September 2003 - 12 U 34/02, vom 26. August 2004 - 12 U 195/03 - OLGR 2005, 99 = DAR 2005, 157 = VRS 108, 25 = VersR 2005, 1746 L ).
Dies ist vorliegend jedoch auch nach dem Vorbringen der Beklagten nicht der Fall. Die Beklagte zu 1) ist vielmehr nach diesem Vorbringen zum Zwecke des Abbiegens in den Fahrstreifen des Klägers schräg eingefahren und dort unmittelbar stehen geblieben.
Es kann mithin entgegen der Auffassung der Berufung gerade nicht davon ausgegangen werden, dass sich die beteiligten Fahrzeuge in gleicher Richtung fahrend befunden haben. Auch die Beklagten tragen nicht vor, dass die Beklagte zu 1) örtlich vor dem Unfallort den Fahrstreifen gewechselt habe und in dem neuen Fahrstreifen bereits einige Zeit gefahren sei, bevor sie zum Zweck des Abbiegens angehalten habe.
Im Übrigen haben die Beklagten für ihre Behauptung, die Beklagte zu 1) habe schon längere Zeit gestanden als es zum Unfall gekommen sei, weshalb dieser allein auf eine Pflichtverletzung des Klägers zurückzuführen sei, keinen Beweis angetreten.
Soweit die Beklagten meinen, bereits die Beschädigungen an beiden Fahrzeugen würden zeigen, dass ein schuldhaftes Auffahren des Klägers vorgelegen habe, ist dies nicht nachzuvollziehen.
Die Beschädigungen lagen im vorderen linken Bereich des klägerischen Fahrzeugs und im linken Heck- bzw. Eckbereich des von der Beklagten zu 1) gefahrenen Fahrzeugs. Eine vollflächige Überdeckung von Heck und Front, die eindeutig für einen Auffahrunfall spricht, liegt mithin gerade nicht vor.
3. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen wird den Beklagten zu 1) und 2) anheim gestellt, die weitere Durchführung der Berufung zu überdenken.
Ende der Entscheidung
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